Allgemein

Nationale Träume

Ungarns Abschied von Europa?
Veranstaltungsdatum: Montag, 21. Januar 2013 – 18:00 bis 21:00

Veranstaltungsort:
SPÖ-Klub im Parlament
Dr. Karl Renner-Ring 3
1010 Wien
Haupteingang. Anmeldung und Lichtbildausweis erforderlich.
Kontakt Telefon: 01 4010 3330

bildschirmfoto_2013-10-27_um_14.11.45

Präsentation der ORF-Dokumentation „Nationale Träume“ von Paul Lendvai und Andrea Morgenthaler.

Im Gespräch:
Paul Lendvai, Journalist und Autor
Hannes Swoboda, Mitglied des Europäischen PArlaments, Fraktionsvorsitzender S&D

Moderation:
Rubina Möhring, Journalistin

Begrüßung:
Josef Kirchberger, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik
Kurt Stocker, Dor Film, Produzent von „Nationale Träume“

„Mit einer Zweidrittelmehrheit errichtete Ministerpräsident Viktor Orbán nach der Niederlage der in der Öffentlichkeit diskreditierten Sozialisten ein System der Alleinherrschaft seiner Fidesz-Partei. Andrea Morgenthaler und Paul Lendvai gehen der Frage nach, wie und warum in Ungarn – einst Schrittmacher demokratischer Reformen in Osteuropa – ein nationalpopulistisches, rechtskonservatives Regime mit offensichtlicher Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung etabliert wurde.

Reportagen aus dem Alltag der bedrängten Roma und der Obdachlosen, antisemitische und rassistische Statements von Mitgliedern der Jobbik-Partei, der Kampf um das Überleben des regierungskritischen Rundfunksenders Klubradio sowie nationalistische Parolen des Regierungschefs ergeben ein für Kritiker besorgniserregendes Bild eines Landes im Herzen Europas.“ (Programmankündigung ORF)

Nach der Erstausstrahlung des Films im September 2012 kam es zu heissen Diskussionen in den Medien und Protesten seitens des offiziellen Ungarn. An diesem Abend wird es noch einmal die Gelegenheit geben, den brisanten Film im Beisein des Autors zu sehen. Paul Lendvai wird mit Hannes Swoboda, Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament über die angesprochenen Fakten, Hintergründe und aufgeworfenen Fragen besonders in Hinblick auf Kulturpolitik und dies Situation für die Künstlerinnen und Künstler diskutieren.

Im Anschluss lädt der SPÖ-PArlamentsclub im Namen von Klubvorsitzenden Dr. Josef Cap zu einem Imbiss.

PROTOKOLL:

Die Österreichische Gesellschaft für Kulturpolitik lud ein zur Filmvorführung und Diskussion:

NATIONALE TRÄUME – Ungarns Abschied von Europa?

Montag, 21. Jänner 2013, 18:00 Uhr, SPÖ-Klub im Parlament, 1010 Wien, Dr. Karl Renner-Ring 3

NATIONALE TRÄUME – Ungarns Abschied von Europa?

Am 21. Jänner 2013 lud die Österreichische Gesellschaft für Kulturpolitik zu einer Filmvorführung und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Ungarns Abschied von Europa?“ in den SPÖ-Klub im Parlament. Es wurde die Rolle der ungarischen Rechtsparteien JOBBIK und FIDESZ näher beleuchtet. Thematisiert wurde unter anderem die Situation der Medien und der Kulturlandschaft unter der Regierung von Viktor Orban.

Ablauf:

Begrüßung: Josef Kirchberger, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik

Im Podiumsgespräch:

Kurt Stocker, Dor Film

Paul Lendvai, Journalist und Autor

Hannes Swoboda, MEP, Fraktionsvorsitzender S&D

Moderation: Rubina Möhring, Journalistin

Begrüßung und Einleitung:

Zu Beginn begrüßte Josef Kirchberger alle Gäste sehr herzlich, die zur ersten Veranstaltung der Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik im neuen Jahr 2013 gekommen waren. Der Film „NATIONALE TRÄUME – Ungarns Abschied von Europa?“, der in Kooperation mit dem ORF gedreht wurde, greift ein sehr brisantes Thema auf, wie Kirchberger betonte. Im Anschluss an die Vorführung des Filmes gab es eine spannende Diskussion unter der Leitung der Journalistin Rubina Möhring.

Inhalt des Films:

Wie und warum wurde in Ungarn – einst Schrittmacher demokratischer Reformen in Osteuropa – ein nationalpopulistisches, rechtskonservatives Regime mit offensichtlicher Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung etabliert? Die preisgekrönte deutsche TV-Dokumentaristin Andrea Morgenthaler und der aus Ungarn stammende vielfach ausgezeichnete Osteuropaexperte Paul Lendvai zeigen im Spiegel der Begegnungen mit Schlüsselfiguren aus Politik, Kultur, Kunst und Wissenschaft die Ursachen und Folgen des Politikwechsels.

Die knapp einstündige Dokumentation liefert ein eindrückliches Stimmungsbild, lässt Gegner und Anhänger Orbans, Kenner seines Werdegangs zu Wort kommen, wie auch Parteigänger der rechtsextremen Partei Jobbik („Bewegung für ein besseres Ungarn“). Ungarns nationales Trauma, der Friedensvertrag von Trianon 1920, wird angesprochen, aber auch der Volksaufstand 1956 und das Problem mit Antisemitismus und Antiziganismus im Land.

Nach der Filmvorführung konnten dann die Podiumsteilnehmer aber auch das Publikum zum Film und dessen Inhalt Stellung nehmen.

Rubina Möhring war vom Film sehr ergriffen und betonte, dass es wichtig ist auf das aufmerksam zu machen, was in unmittelbarer geografischer Nähe passiert. Denn Abschied, wie im Filmtitel darauf hingewiesen wird, bedeutet immer etwas endgültiges und die Journalistin hofft daher auf eine Gegenbewegung und darauf, das Ungarn wieder einen anderen Weg einschlagen wird.

Die erste Frage, wie denn der Film zustande gekommen sei, ging an den Produzenten Kurt Stocker: „Paul Lendvai hat mich gefragt, ob ich mit ihm den Film gemeinsam machen will“, so Stocker und schilderte sogleich die Arbeitsbedingungen in Ungarn. „Ich habe die letzten 10 Jahre immer wieder Filme in Ungarn produziert und es gab immer eine gute Kooperation aber seit Viktor Orban vor drei Jahren an die Macht kam, hat sich viel verändert“, betonte der Produzent. Stocker berichtete im weiteren auch über Sticker in ungarischen Taxis mit der Aufschrift: „Roma und Juden werden nicht befördert“ und das ihnen an den insgesamt neun Drehtagen, an fünf Tagen der Geheimdienst gefolgt sei.

Auch Paul Lendvai, der seit dem 29. September 1959 die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, schilderte zu Beginn die Situation seines eigenen Lebens und sein Verhältnis zu Ungarn. Lendvai war 40 Jahre lang mit einer US-Schauspielerin verheiratet, aber seit rund 10 Jahren ist er mit einer Ungarin liiert und somit auch sein Bezug zu seinem Geburtsland wieder gewachsen. Umso besorgter und genauer Blickt er daher auf die Ereignisse und den Wandel in der Gesellschaft Ungarns seit Viktor Orban an der Macht ist hin.

In seinem Film wirft Lendvai dem konservativen Fidesz-Vorsitzenden und ungarischen Ministerpräsidenten autokratische Tendenzen vor. Lendvai spricht von Ungarn als „verführbare Nation“, die das Trianon-Trauma niemals überwinden konnte. Durch den Vertrag von Trianon verlor Ungarn einen Großteil seines Staatsgebietes und seiner Bevölkerung als Folge der Niederlage im Ersten Weltkrieg. So finden sich bis heute große ungarische Minderheiten in Rumänien, der Slowakei und Serbien. Orban versteht sich als Ministerpräsident aller Ungarn, auch der Ungarn jenseits der heutigen Staatsgrenzen.

Auf die Frage ob es Proteste von ungarischer Seite gegen den Film gegeben hat, antwortete Lendvai: „Ja auch eine Beschwerde langte wegen Unausgewogenheit beim ORF-Publikumsrat ein.“

Der Film „ NATIONALE TRÄUME – Ungarns Abschied von Europa?“ ist aber nicht der einzige Film, der sich kritisch mit der Situation in Ungarn auseinandersetzt. Die Dokumentation ”Ungarn: Demokratie oder Diktatur?” – eine Kooperation von arte und NDR – zeigt auch wie alarmierend die politische Entwicklung Ungarns ist.

Seit Viktor Orban mit seiner nationalkonservativen Partei Fidesz die Parlamentswahlen vor drei Jahren gewonnen hat, hat sich Ungarn stark verändert, betonte auch der EU-Prlamentarier Hannes Swoboda. Kein Bereich des gesellschaftlichen Lebens blieb seither unberührt. Eine neue Verfassung und ein neues Mediengesetz wurden bereits europaweit heftig diskutiert und kritisiert. „Nationalismus und Ausländerschelte sind auf dem Vormarsch, Antisemitismus und Antiziganismus werden durch die politischen Eliten salonfähig gemacht“, erklärte Swoboda auch weil Orban begann, das Land radikal umzubauen. Wichtige Posten in Kultur, Verwaltung und öffentlich-rechtlichen Medien wurden mit Regierungsanhängern besetzt.

Ihre Machtkonzentration begleitet die Fidesz-Regierung mit nationalem Pathos. Die neue Verfassung beruft sich auf Gott, Krone und Vaterland. Das Ausland wurde zum Feindbild. „Ministerpräsident Orban wetterte bei seiner Rede im EU-Parlament gegen ausländische Banken, internationale Großkonzerne und die Bürokraten der Europäischen Union, die versuchen würden, seine Politik von außen zu diktieren“, so Swoboda. Aber der SP-Politiker ist von dem Freiheitswillen der ungarischen Bevölkerung überzeugt: „Mann darf nur nicht den Fehler begehen von außen zu stark zu kritisieren, denn das würde nur der Regierung helfen ein gemeinsames Feindbild aufzubauen.“

Auch kamen jüngste verbale Entgleisungen ungarischer Politiker zur Sprache: Zsolt Bayer, Parteimitgründer der FIDESZ hat in einem Artikel Roma mit Tieren verglichen, die nur morden und vergewaltigen und daher kein Recht auf Menschenwürde hätten. Ein Jobbik-Abgeordneter hat in einer Rede gefordert, dass alle Juden in Ungarn auf Listen zu erfassen seien, weil sie eine Gefahr für das Land darstellten. „Solche Aussagen sind in der heutigen Zeit und in einem EU-Land unfassbar und zeigen welche Einstellung und welches Gedankengut diese Leute mitbringen“, so Swoboda. Die EU könne auf gesetzlicher Ebene nicht viel bewirken aber sie führt die inhaltliche Auseinandersetzung, garantierte Swoboda.

Nach der ersten Podiumsrunde war nun das Publikum aufgerufen Fragen zu stellen.

Zuerst meldeten sich Vertreter der ungarischen Botschaft und übten Kritik an der Objektivität des Films. Darauf erwiderte Swoboda: „Es ist skurril, dass ungarische Vertreter Medienvielfalt in Österreich einfordern und in Ungarn selbst diese sukzessive abgeschaffen wird.“ Es entwickelte sich eine hitzige Diskussion mit allen Beteiligten.

Daraufhin klärte Paul Lendvai über die Medienlandschaft in Ungarn auf. Es gebe drei Teile der Medien. Wenige Linke/Liberale Medien, die öffentlichen Medien unter der Kontrolle Orbans und schlussendlich die kommerziellen Medien, die sich wegen dem drohenden Verlust von Inseraten und Werbeeinschaltungen nur wenig mit Politik beschäftigen.

Jedoch könnten die „Neuen Medien“ wie Facebook und Twitter hier für neue Möglichkeiten sorgen, betonte Lendvai.

Zum Schluss wurde auch noch über die Kulturlandschaft in Ungarn diskutiert. Lendvai betonte, dass es um die Kultur nicht gut stehe, da das Geld jetzt Rechts der Mitte vergeben werde. „Unter Orban wurden nicht nur 200 Richter in Pension geschickt um Platz zu machen für eigene Leute, auch viele kulturell führende Personen wurden abgesetzt“, so Lendvai. Aber auch Lendvai ist der Meinung, dass das freiheitsliebende ungarische Volk von sich aus Ungarn wieder auf einen besseren Weg bringen werde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.